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Gesundheitspolitik
Vertragspflicht in der Grundversicherung

Vertragspflicht in der Grundversicherung

Die sogenannte Versicherungspflicht der Krankenkassen – oft auch als «Vertragszwang» verunglimpft – ist ein zentrales Element des Krankenversicherungsgesetzes (KVG). Sie stellt sicher, dass Grundversicherte ihre Ärztin oder ihren Arzt frei wählen können.

Was bedeutet die Vertragspflicht?

Die Vertragspflicht verpflichtet Krankenkassen, mit allen gesetzlich zugelassenen Leistungserbringern Tarifverträge abzuschliessen. Dies basiert auf zwei Vorgaben des KVG:

  • Der Gesetzgeber legt fest, welche Leistungserbringer zulasten der Grundversicherung abrechnen dürfen.
  • Gleichzeitig verpflichtet der Gesetzgeber die Versicherer, mit diesen zugelassenen Leistungserbringern Verträge abzuschliessen.

So können sich Versicherte darauf verlassen, dass ihre Kasse auch tatsächlich mit ihrer gewählten Fachperson abrechnet – ein Grundpfeiler der freien Arztwahl.

 

Wahlfreiheit trotz Vertragspflicht

Bereits heute können sich Versicherte bewusst für alternative Versicherungsmodelle (AVM) entscheiden, die ihre Auswahl einschränken. Diese umfassen:

  • Eingeschränkte Wahl der Leistungserbringer (Ärztinnen/Ärzte, Spitäler, Apotheken etc)
  • Günstigere Prämien
  • Jährliche Wechselmöglichkeit

Heute entscheiden also die Versicherten selbst, ob sie ihre Auswahl im Gegenzug für Prämienrabatte einschränken. Die Krankenkassen können ihnen keine Einschränkungen machen.

 

Wiederkehrende Forderung nach Vertragsfreiheit

Trotz der klaren Vorteile der Vertragspflicht wird im Parlament immer wieder deren Lockerung gefordert. Die Befürworter meinen, so könne das Kostenwachstum gebremst und durch mehr Wettbewerb auch die Qualität der Versorgung verbessert werden – obwohl dies nicht belegt werden kann.

Sie fordern, dass Versicherer grundsätzlich und für alle ihre Versicherten –nicht nur im Rahmen freiwilliger AVMs – vorgeben dürfen, wo sich diese behandeln lassen können. Denn ohne eine Vertragspflicht würden die Kassen nur noch mit ausgewählten Leistungserbringern Verträge abschliessen, auf die ihre Versicherten dann beschränkt wären. Doch das birgt Risiken:

  • Benachteiligung vieler Patientinnen und Patienten: Ohne die Vertragspflicht würden Versicherer sehr günstige Leistungserbringer bevorzugen, d.h. solche, die nicht zu viele  chronische oder komplexe Erkrankungen versorgen. Die Versorgung «teurer» Kranker würde damit für die Leistungserbringer zum Risiko und es würde für schwer Erkrankte noch schwieriger, Behandlungen zu erhalten.
  • Administrative Hürden für Patientinnen und Patienten sowie für Leistungserbringer: Neu müssten die Versicherten vor jedem Arztbesuch prüfen, ob der Arzt oder die Ärztin (noch) einen Vertrag mit ihrer Krankenkasse hat. Verliert z.B. der eigene Hausarzt den Vertrag mit der Versicherung, bleibt nur der Arzt- oder Kassenwechsel. Auch ein Krankenkassenwechsel würde kompliziert: Versicherte müssten neu prüfen, ob ihre Ärzte und Ärztinnen mit der neuen Kasse einen Vertrag haben. Und eine Hausärztin könnte z.B. einen Patienten nicht mehr zur geeignetsten Spezialistin überweisen – wenn diese Spezialistin keinen Vertrag mit der Krankenkasse des Patienten hat.
  • Therapieunterbrüche bei Arztwechseln: Wenn der Arzt wegen der Versicherung gewechselt werden muss, kann es gerade in Zeiten des Fachkräftemangels zu riskanten Therapieunterbrüchen kommen.
  • Verschärfung des Fachkräftemangels: Ohne die Vertragspflicht werden Tätigkeiten in der Gesundheitsversorgung unattraktiv. Wer wechselt den Wohnort, oder übernimmt eine Arztpraxis, wenn man nicht weiss, ob der Arbeitgeber oder man selbst in wenigen Jahren noch über die Grundversicherung abrechnen darf?

 

Neuer Gesetzesentwurf in Vorbereitung

Obwohl die Vertragspflicht in der Vergangenheit stets beibehalten wurde, hat das Parlament im März 2025 mit der Überweisung der Motion Hegglin (23.4088) an den Bundesrat einen neuen Anlauf genommen. Der Bundesrat muss nun einen Gesetzesentwurf erarbeiten – mit potenziell weitreichenden Folgen für das gesamte Gesundheitswesen.

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