Bruno Schnegg
Abteilung für Kardiologie,Universitätsspital Bern, Bern, Schweiz
David Reineke
Abteilung für Herz- und Gefässchirurgie, Universitätsspital Bern, Bern, Schweiz
Franz Immer
Swisstransplant, Nationale Stiftung für Organspende und Transplantation, Bern, Schweiz
Mitglieder der Swisstransplant Arbeitsgruppe Herz (STAH):
Prof. Pierre-Giorgio Tozzi (Projektleiter), CHUV, Lausanne
Prof. Roger Hullin, CHUV, Lausanne
Prof. Markus Wilhelm, USZ, Zürich
Prof. Andreas Flammer, USZ, Zürich
PD Dr. David Reineke, Inselspital, Bern
Dr. Michele Martinelli, Inselspital, Bern
Glücklicherweise wurden in den letzten 30 Jahren grosse Fortschritte im Bereich der Herzinsuffizienz erzielt: die Erfindung der ACE-Hemmer im Jahr 1987, gefolgt von der Anwendung von Betablockern ab 1996, Aldosteron Antagonisten ab 1999 und Sartanen ab 2001. Die ARNI im Jahr 2014 und SGLT2-Inhibitoren im Jahr 2019 haben in Verbindung mit interventionellen Reparaturtechniken für Mitralklappen, der Implantation von Resynchronisationsschrittmachern und Defibrillatoren die Prognose und die Lebensqualität der Patienten verbessert. Leider bleibt die 10-Jahres-Prognose trotz all dieser Fortschritte ungünstig, mit einer Überlebensrate von weniger als 30 % in den neusten Studien [1]. Die Herztransplantation ist eine therapeutische Methode, die in den 1960er Jahren entwickelt wurde. Sie ermöglicht es, einem Patienten mit schwerer symptomatischer Herzinsuffizienz eine höhere Lebensqualität zu bieten und seine Prognose erheblich zu verbessern.
Ein Problem des Gleichgewichts zwischen Spendern und Empfängern
Seit Jahren besteht in der Schweiz und im Ausland ein Ungleichgewicht zwischen der Anzahl der Patienten, die für eine Herztransplantation in Frage kommen, und der Anzahl der verfügbaren Spender. Dieses Ungleichgewicht ist multifaktoriell bedingt. Die Inzidenz der Herzinsuffizienz steigt mit zunehmendem Alter. Mit der Alterung der europäischen Bevölkerung steigt auch die Zahl der Patienten mit Herzinsuffizienz [2]. Auf der anderen Seite haben die grossen Fortschritte in der Prävention, aber auch neuere Behandlungsmethoden, wie zum Beispiel von ischämischen Schlaganfällen, die Zahl an potenziellen Spendern im Hirntod (DBD) in den letzten Jahren auf Intensivstation im westlichen Europa verringert.
Tod definieren
Seit ihren Anfängen beruht die Transplantation auf der «dead donor rule» oder Regel des toten Spenders, die besagt, dass die lebenswichtigen Organe eines Patienten nur dann für einen Empfänger verwendet werden dürfen, wenn der Spender für tot erklärt wurde. Dies ist auch heute die gesetzliche Grundanforderung in der Schweiz, damit Organe zur Transplantation bei einem verstorbenen Organspender entnommen werden dürfen. Der Tod ist jedoch kein augenblickliches Ereignis, sondern ein Prozess. Seit 1850 veröffentlichten Arbeiten von Dr. Eugène Bochut wurde der Tod als das Fehlen eines Blutkreislaufs für einen Zeitraum von zwei bis fünf Minuten definiert. Auf dieser Grundlage fand die erste Herztransplantation in Südafrika statt [3]. Parallel dazu begannen Intensivmediziner zwischen den 1960er und 1970er Jahren Patienten zu beschreiben, die sich in einem tiefen, irreversiblen Koma befanden. 1968 definierte eine Konsensus konferenz an der Harvard Medical School den Hirntod als irreversiblen Verlust der Hirnfunktionen [4].
Formal juristisch ist ein Patient in der Schweiz tot, wenn zwei Fachärzte im Vier-Augen-Prinzip den Hirntod bestätigt haben, entlang der Richtlinien der Schweizerischen Akademie für Medizinische Wissenschaften (SAMW). Die Frage nach der Organ und Gewebe spende wird gestellt, wenn keine Ausschlusskriterien vorliegen. Liegt die Einwilligung des Verstorbenen vor oder willigen die nächsten Angehörigen stellvertretend im Sinne des Verstorbenen in die Spende ein, kann der Prozess zur Allokation und Entnahme eingeleitet werden. Üblicherweise werden Organe zwischen Spender und Empfänger auf Eis transportiert. Dies ist die «kalte Ischämiezeit». Übersteigt diese Zeit vier Stunden beim Herzen kommt es zu irreversiblen Schäden, weshalb die kalte Ischämiezeit immer so kurz wie möglich gehalten wird.
Spende nach Kreislaufstillstand (DCD)
Nicht alle Patienten erfüllen die Kriterien für den Hirntod und weisen dennoch eine infauste Prognose auf. Meist handelt es sich um Patienten mit extensiven und definitiven Hirnschäden. In solchen Fällen wird die Fortführung der Therapie als aussichtslos betrachtet, und es wird ein palliativer Ansatz mit Therapieabbruch mit der Familie des Patienten besprochen. Liegen keine Kontraindikationen für eine Spende vor und ist die Sterbe wahrscheinlichkeit hoch (pulslose elektrische Aktivität innert 120 Minuten nach Therapieumstellung), so wird heute eine Organspende nach Kreislaufstillstand erwogen. Die Therapieumstellung erfolgt meistens im Operationssaal unter der Leitung eines Intensivmediziners, der für diesen Prozess verantwortlich ist bis und mit Todesfeststellung. Nach mindestens 5-minütiger Wartezeit nach Eintritt der pulslosen elektrischen Aktivität wird der Tod durch zwei Fachärzte im Vier-Augen-Prinzip bestätigt. Diese Spende wurde im September 2011 in der Schweiz wieder eingeführt, nachdem sie aufgrund unklarer Formulierungen im Transplantationsgesetz ab 1.7.2007 kurzfristig eingestellt werden musste [5]. Bis 2020 konnte praktisch jedes Organ mit Ausnahme des Herzens nach einer DCD-Spende verwendet werden.
DCD-Herztransplantation
Im Jahr 2014 veröffentlichte das Team von Prof. Macdonald in Australien einen Fall einer Transplantation nach Kreis laufstillstand [6]. Das Team von St. Vincent in Sydney beschrieb die Technik des Rapid Procurement, bei dem nach Feststellung des Todes das Herz sofort entnommen und in ein ex-vivo Perfusion am organ care system (OCS) gelegt wird. Durch die Reperfusion mit etwa 1,0 bis 1,2 Litern sauerstoffreichem, heparinisiertem und normothermem Blut des Verstorbenen beginnt das Herz im OCS wieder zu schlagen. Dank dieser Reperfusion kann das Herz gepflegt und beurteilt werden. Nach etwa 20 Minuten haben sich die meisten Herzen (80-90 %) metabolisch und hämodynamisch stabilisiert, so dass sie für die Behandlung des Empfängers verwendet werden können. Dank dieser Technologie ist das Herz vor ischämischen Schäden geschützt, wodurch das Transportfenster im Vergleich zur Kühlung auf Eis erheblich verlängert werden kann. Diese Technik kann daher für den Transport von Herzen verwendet werden, deren Reisezeit mehr als vier Stunden beträgt.
DCD-Herztransplantation in der Schweiz
Im Jahr 2020 begannen die Herztransplantationsteams der Universitätsspitäler Bern, Lausanne, und Zürich unter der Schirmherrschaft von Swisstransplant in der Expertengruppe Herz (STAH), die Möglichkeit der Einführung eines Herz-DCD-Programms in der Schweiz zu erwägen und wurden hierbei durch das Team aus Pappworth, allen voran Simon Messer, unterstützt. Nach intensiver Vorbereitung fand im März 2022 die erste DBD-Herztransplantation unter Verwendung der ex-vivo Perfusion am Organ care system (OCS) statt [7]. Unter der Leitung von Prof. Matthias Siepe vom Inselspital Bern, der diese Technik im Rahmen der DBD-Spende im Ausland schon mehrmals praktizierte, wurde die erste Entnahme in Anwesenheit der Experten aus Bern, Lausanne und Zürich am USZ durchgeführt. Dank dem Einsatz dieser neuen Technologie konnten neu auch Herzen aus dem Ausland über die Plattform FOEDUS (internationale Organ AustauschPlattform) akzeptiert werden, wo bis anhin die kalte Ischämiezeit über vier Stunden lag, was einen Import verunmöglichte [8]. Und schliesslich, nach einem Jahr erfolgreicher Anwendung des OCS im Kontext der DBD-Spende, wurde im März 2023 die erste DCD-Herzspende am USZ in Zürich durchgeführt, wiederum in Zusammenarbeit mit Bern und Lausanne. Seit der Einführung dieser Technologie im September wurde die Maschine 29-mal eingesetzt. Dabei handelt es sich um 13 DCD-Spender und um 16-DBD Spender, wovon 14 aus dem Ausland. Bis auf einmal, wo das Herz aus dem Ausland an der Maschine eine deutlich eingeschränkte Funktion aufwies, konnten die verbleibenden 28 Herzen erfolgreich transplantiert werden.
Ergebnisse der Transplantation nach DCD
Die Technik der Herztransplantation von DCD-Spendern war bis September 2021 (Zeitpunkt der Ex vivo-Perfusionszulassung in den USA für die DCD-Herztransplantation) vertraulich. Nur die Zentren Papworth in England und St. Vincent in Australien führten solche bis dahin regelmässig durch, so dass zu wenig Ergebnisse vorlagen, um die Sicherheit dieser Technik abschliessend zu beurteilen. Obwohl die ersten Publikationen aus der Gruppe von Stephen Large in Pappworth und St. Vincent sehr gute Ergebnisse zeigten.
Schliesslich wurde 2023 eine grosse Nichtunterlegenheitsstudie publiziert, welche 90 Herztransplantation von DBD-Spendern mit den Ergebnissen von 90 DCD-Spendern verglich. Dabei zeigte sich, dass es keinen Unterschied im Überleben nach einem Jahr gab [9]. Auch in einer weiteren Publikation aus St. Vincent (Australien) konnte kein Unterschied im fünf-Jahres-Überleben nachgewiesen zwischen Herzen von DCD- und DBD-Spendern [6].
In der Schweiz ist es noch zu früh, um langfristige Schlussfolgerungen zu ziehen. Dennoch lässt sich schon heute festhalten, dass die Herztransplantationsaktivität seit dem Einsatz des OCS markant angestiegen ist mit einem neuen Rekord von 58 Herztransplantationen im Jahr 2023 und einem deutlichen Rückgang der medianen Wartezeit, als auch der Patienten auf der Herzwarteliste [10].
Es ist interessant herauszustreichen, dass die Akzeptanz der DCD-Spende bei Angehörigen und Fachpersonen sehr hoch ist. Fast in allen Therapieumstellungen sind Angehörige anwesend und erleben mit, wie der Tod – nach Einstellung der therapeutischen Massnahmen – oftmals sehr rasch eintritt. Der Verstorbene hat auch den Aspekt die Beatmung und der Kreislauf beim hirntoten Patienten durch intensivmedizinische Massnahmen aufrecht erhalten bleiben und der Abschied letztendlich auf der Intensivstation erfolgt [11].
Schlussfolgerungen
Die Einführung der Herzspende nach Kreislaufstillstand hat die Zahl der potenziellen Spender erhöht und damit die Aussicht auf eine zeitnahe und erfolgreiche Zuteilung eines Herzens an einen Empfänger auf der Warteliste deutlich verbessert. Dadurch können Todesfälle auf der Herzwarteliste reduziert werden. Die Ergebnisse nach DCD- und DBD-Herztransplantationen zeigen mittel- bis langfristig (bis fünf Jahre) gleich gute Ergebnisse, womit die Transplantationsaktivität erhöht werden kann und somit den Empfängern das Überleben und eine deutlich verbesserte Lebensqualität ermöglichen. Die Akzeptanz bei den betroffenen Familien und den Fachpersonen ist hoch, was sich auch im Ausbau der Programme in der Schweiz in den Entnahmespitälern widerspiegelt.
Korrespondenz
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