Änderungen beim Saldosteuersatz in der MWST-Verordnung
Die Möglichkeit, neu alle zehn Saldosteuersätze nebeneinander anzuwenden, ist grundsätzlich zu begrüssen, wobei die Beibehaltung der 10 %-Regel eine Hürde darstellt.
Die «Betroffenheit» der Ärzteschaft ist unterschiedlich: Die Breite von Betroffenheit reicht von gar nicht (Arzt ohne Selbstdispensation oder Umsatz unter CHF 100 000) über etwas (Arzt mit Selbstdispensation mit Umsatz über CHF 100 000) bis zu eher stark betroffen (Arzt mit Selbstdispensation mit Umsatz über CHF 100 000 + Abgabe von Hilfsmitteln (z. B. Orthopädische Praxen)). Die Änderungen bei den Saldosätzen führen zu einer Anpassung bei der Leistungserfassung sowie allenfalls des Kontenplanes, denn die Umsätze müssen leistungsspezifisch erfasst und den Steuersätzen zugeordnet werden können.
Steuerpflichtige Praxen im Gesundheitsbereich (steuerbarer Jahresumsatz > CHF 100 000), deren steuerpflichtige Umsätze aus verschiedenen Leistungen resultieren, müssen nun jede Leistungskategorie analysieren und separat verbuchen. So folgen Logistikdienstleistungen einem anderen Saldosteuersatz als der Medikamentenverkauf und der Verkauf orthopädischer Hilfsmittel ist wiederum mit einem anderen Saldosteuersatz abzurechnen. Eine Überprüfung drängt sich dann auch vor allem bei steuerpflichtigen Praxen auf, welche von der Mischbranchenregelung Gebrauch gemacht haben.
Wegfall der Mischbranchenregelung
Für die Gesundheitsbranche stellte die Anwendung von bloss einem Saldosteuersatz bisher eine wesentliche Vereinfachung dar. Mehrere Saldosteuersätze nebeneinander anwenden zu müssen bedeutet, dass neu die steuerbaren Erträge bei der Leistungserfassung detaillierter erfasst werden müssen. Von der Erhöhung des Saldosteuersatzes wird die Gesundheitsbranche nicht direkt betroffen sein. Der Medikamentenverkauf (Einkauf zu 2.6 %) ist auch in Zukunft mit 0.6 % Saldosteuersatz (SSS) abzurechnen. Die Lieferung von Gegenständen (Einkauf zu 8.1 %), welche bisher ebenfalls unter den Mischbranchensatz fiel, muss 2025 ab einem Umsatzanteil der steuerbaren Umsätze von mehr als 10 % mit dem SSS von 2.1 % erfasst werden.
Nutzungsänderungen
Bisher hatte der Wechsel von der effektiven zur Saldosteuersatzmethode und umgekehrt grundsätzlich keine steuerlichen Korrekturen auf Warenlagern und dem Anlagevermögen zur Folge. Neu ergeben sich bei solchen Wechseln Nutzungsänderungen mit Vorsteuerkorrektur (Eigenverbrauch) oder mit nachträglichem Vorsteuerabzug (Einlageentsteuerung). Eine Regelung, die in ähnlicher Form schon unter dem alten, bis Ende 2009 gültigen MWSTG bestand, dann aber aufgehoben wurde.
Wenn also ab 2025 eine Praxis die Abrechnungsart wechselt von effektiv zum Saldosteuersatz muss geprüft werden, ob Assets mit getätigtem Vorsteuerabzug neu unter der Saldosteuersatzmethode erfasst werden, was eine Rückzahlungspflicht (Eigenverbrauch) auslöst. Umgekehrt entsteht ein nachträgliches Vorsteuerabzugsrecht (Einlageentsteuerung).
Jährliche Abrechnungsperiode
Steuerpflichtige mit einem Umsatz von nicht mehr als CHF 5 005 000 pro Jahr aus steuerbaren Leistungen erhalten inskünftig die Möglichkeit, auf Antrag ihre MWST jährlich abzurechnen. Die Anwendung der jährlichen Abrechnung ändert nichts an der Abrechnungsmethode. Auch bei der jährlichen Abrechnung wird also entweder effektiv oder – wenn eine entsprechende Bewilligung vorliegt – mit Saldosteuersätzen oder Pauschalsteuersätzen abgerechnet.
Bei der jährlichen Abrechnung wird von der ESTV ein provisorischer Steuerbezug mittels Raten festgelegt und viertel- oder halbjährlich (je nach Abrechnungsmethode) in Rechnung gestellt. Massgebend für die Festlegung der Raten ist die Steuerforderung der letzten Steuerperiode. Ist sie noch nicht bekannt, so wird sie von der ESTV geschätzt. Bei neu steuerpflichtigen Personen ist die bis zum Ende der ersten Steuerperiode erwartete Steuerforderung massgebend. Somit erfolgt zwar die Abrechnung nur einmal im Jahr, aber die Zahlungen erfolgen weiterhin viertel- oder halbjährlich.
Risiken bei Infrastrukturnutzung und Gruppenpraxen
Die gemeinsame Nutzung von Infrastruktur oder Personal und Aufteilung von Kosten von Gruppenpraxen sind gemäss Art. 21 Abs. 2 Ziff. 6 MWSTG Dienstleistungen, welche grundsätzlich von der Mehrwertsteuer ausgenommen sind, soweit es beim Zusammenschluss um einzelne Ärztinnen oder Ärzte im Rahmen einer einfachen Gesellschaft handelte. Mit der Publikation vom 9. Mai 2023 veröffentlichte die ESTV eine Praxisfestlegung, bei der die Ausnahme auch bei juristischen Gesellschaftern bestehen bleibt, soweit es sich um «Einpersonengesellschaften» handelt (gemäss Art. 21 Abs. 3 lit. c MWST-Branchen-Info-21 Gesundheitswesen). Das bedeutet, dass für Praxisgesellschaften in Form juristischer Personen (z. B. GmbH oder AG) und Personengesellschaften (Kommandit- oder Kollektivgesellschaften) diese Mehrwertsteuer-Ausnahme weiterhin nicht gilt.
Die Wahl der rechtlichen Organisationsform ist von strategischer Bedeutung für die Zukunft einer unternehmerischen Tätigkeit und solche konzeptionellen Entscheidungen sollten zusammen mit der Treuhandberatung von langer Hand geplant werden.
Erweiterung der Steuerausnahmen
Mit der Revision wurden weitere Leistungen von der Mehrwertsteuerpflicht ausgenommen. Die neue Ziffer 3 bis von Art. 21 Abs. 2 MWSTG nimmt im Gesundheitsbereich die sogenannten Managed-Care Leistungen (Leistungen der koordinierten Versorgung im Zusammenhang mit Heilbehandlungen bzw. integrierte Versorgung von Patientinnen und Patienten) von der Steuer aus. Diese Änderung bedeutet, dass solche gesetzlich auferlegte administrative Koordinationsdienstleistungen ab 1.1.2025 nicht mehr steuerpflichtigen Umsatz darstellen.
Neu können Ambulatorien und Tageskliniken den Belegärzten Infrastrukturleistungen ohne MWST-Belastung zur Verfügung stellen (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 2 MWSTG). Abzuwarten ist, inwieweit diese Ausnahme auch auf weitere medizinische Zentren und deren Logistikdienstleistungen angewendet werden kann.
Art. 21 Abs. 2 Ziff. 8 MWSTG gilt in Bezug auf Organisationen der Krankenpflege und der Hilfe zu Hause (Spitex) neu auch für nicht gemeinnützige Organisationen. Damit sind diesbezüglich weiterführende Leistungen als ärztlich verordnete Pflegeleistungen neu auch von der Steuer ausgenommen, wenn sie von privaten, in der Regel gewinnstrebigen und nicht gemeinnützigen Organisationen, erbracht werden.
Tücken im Bereich ästhetischen/präventiven Medizin
Die bisherige eindeutige Praxis, publiziert in der Branchenbroschüre Nr. 21, wonach Untersuchungen, Beratungen und Behandlungen, die der Hebung des Wohlbefindens oder der Leistungsfähigkeit dienen oder aus ästhetischen Gründen vorgenommen werden, sofern sie vom Arzt oder von der Ärztin selbst erbracht werden (Art. 34 Abs. 3 Bst. a MWSTV), als von der Steuerpflicht ausgenommen zu behandeln sind, wird von der Eidg. Steuerverwaltung (ESTV) in Frage gestellt werden. Im Fokus der ESTV sind Eingriffe, die in keinem Zusammenhang mit Gesundheit und Heilung einer Krankheit stehen. Wie die Abgrenzungen vorzunehmen sein werden, ist aktuell auch für die ESTV unklar. Im Vordergrund steht die mehrwertsteuerliche Qualifikation anhand der Beurteilung des konkreten Eingriffes.
Es empfiehlt sich, die Praxisentscheidungen und Publikationen der ESTV zu diesem Thema im Auge zu behalten, denn erst dann kann die Handhabung im Bereich Mehrwertsteuer für die Praxen fixiert werden.
Fazit
Die Revision des Mehrwertsteuergesetzes bringt für Saldosteuersatz abrechnende Unternehmungen diverse Nachteile und Mehraufwendungen (Nutzungsänderung, Umsatzerfassung etc.) mit sich. Einige Mehraufwendungen sind einmaliger Natur, während andere künftig regelmässig anfallen werden. In beiden Fällen ist eine gute Vorbereitung das A und O. Die Ausweitung der Steuerausnahmen ist zu begrüssen, wobei die weiterhin bestehenden Restriktionen gegenüber juristischen Personen nicht nachvollziehbar sind. Die Praxis der ESTV muss also auch in Zukunft im Auge behalten werden, damit der Handlungsbedarf rechtzeitig erkannt wird und böse Überraschungen vermieden werden können.
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