Am 15. November 2022 wurde tarifpolitische Geschichte geschrieben – zumindest im Bereich der ambulanten Tarife ist mit der Gründung der gemeinsamen Tariforganisation OAAT AG ein wichtiger Meilenstein erreicht worden. Nach der nun erfolgten Gründung wird die Tariforganisation innerhalb der nächsten 12 Monate kontinuierlich aufgebaut. Die bisher bestehenden Tariforganisationen ats-tms AG (für TARDOC) und solutions tarifaires suisses SA (für ambulante Pauschalen) sollen im Jahr 2023 ihre Tarifprojekte finalisieren und zur Einreichung beim Bundesrat vorbereiten. Anschliessend sollen die Vermögenswerte aus diesen beiden Organisationen (u. a. Daten, Tools, Tarife, Know-how und bestehendes Personal) in die gemeinsame Tariforganisation OAAT AG überführt und danach jeweils aufgelöst und liquidiert werden. Ziel ist, dass es Anfang 2024 nur noch die gemeinsame Tariforganisation OAAT AG mit allen Tarifpartnern geben wird und diese sich um die Weiterentwicklung und Pflege der ambulant ärztlichen Tarife kümmern soll.
Der Durchbruch zur gesetzlich verlangten Gründung einer gemeinsamen Tariforganisation aller Tarifpartner ist nur gelungen, weil sich alle Tarifpartner (FMH, curafutura, santésuisse, H+ und MTK) gemeinsam mit der Vereinbarung «Doppelte Parität» dazu bekannt haben, die beiden Tarifprojekte TARDOC (Einzelleistungstarif) und «ambulante Pauschalen» grundsätzlich gegenseitig anzuerkennen. In der gemeinsamen Vereinbarung der Tarifpartner wurde auch festgehalten, dass die beiden Tarifprojekte bis zur Einreichung zur Genehmigung an den Bundesrat jeweils in den bisherigen Entwicklungsgesellschaften ats-tms AG (TARDOC Einzelleistungstarif) und sts SA (Ambulante Pauschalen), weiterentwickelt und mit gegenseitigem Einsichtsrecht (ohne direkte Mitwirkungsmöglichkeiten) finalisiert werden sollen.
Aktueller Stand TARDOC
Der Bundesrat hat mit dem Entscheid vom 3. Juni 2022 festgehalten, dass der TARDOC als Einzelleistungstarif gesetzt und materiell genehmigungsfähig ist. Die vom BAG aufgeführten Mängel betreffen materielle Themen (die nach der Inkraftsetzung behoben werden können) sowie die Anpassung der Kostenneutralität (die zwingend vor der erneuten Einreichung angepasst werden muss).
Die FMH hat unter Federführung der ats-tms AG und in Zusammenarbeit mit curafutura und der MTK vier verschiedene Konzepte erarbeitet, die aufzeigen, wie diese oben beschriebenen materiellen Mängel in den kommenden Jahren – nach Einführung von TARDOC – laufend behoben werden sollen. Unter anderem sollen in den kommenden Jahren die Minutagen von wissenschaftlicher und unabhängiger Seite plausibilisiert, der ärztliche Tarifwirksamkeitsindex der Ärztinnen und Ärzte überprüft und das Kostenmodell zur Berechnung der ärztlichen Leistung angepasst werden. Sobald einzelne Fachgesellschaften von diesen Arbeiten betroffen sind, wird die FMH die entsprechenden Tarifdelegierten in die Diskussionen einbeziehen. Die FMH plant, die vier Konzepte zur Behebung der materiellen Mängel sowie weitere Anpassungen am Kostenneutralitätskonzept der Delegiertenversammlung vom 1. Februar 2023 vorzulegen und diese mit der TARDOC-Version 1.3.1 im zweiten Semester 2023 dem Bundesrat einzureichen. Die Tarifpartner gehen davon aus, dass TARDOC damit endlich genehmigungsfähig ist und per Anfang 2025 eingeführt werden kann.
Zusammenarbeit bei den ambulanten Pauschalen
Die FMH anerkennt und betont, dass für homogene und gut abgrenzbare ärztliche Leistungen eine Pauschalisierung sinnvoll ist und das Gesetz inskünftig zwingend Pauschalen vorschreibt. Der Einbezug respektive die Beurteilung und Stellungnahme durch die Fachgesellschaften ist für die FMH bei der Erarbeitung von ambulanten Pauschalen eine Voraussetzung. Selbstverständlich wird nun die FMH gemeinsam mit der FMCH die von den ambulanten Pauschalen betroffenen Fachgesellschaften unterstützen, begleiten und beraten. Insbesondere werden wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um den Fachgesellschaften die Möglichkeit zu geben, die vorliegenden Pauschalen zu plausibilisieren, zu prüfen und ihre Beurteilung dazu einzubringen. Allerdings kann auch die FMH nicht direkt Einsitz in die Tarifierungsgesellschaft sts SA nehmen.
Die FMH stellt nun mit der Unterstützung der FMCH eine Taskforce «Ambulante Pauschalen» zusammen. Aufgabe dieser Taskforce, in der alle Fachgesellschaften vertreten sind, ist es, die gemeinsame Strategie festzulegen sowie den Informationsfluss und die Koordination des Vorgehens zu gewährleisten. Dazu findet eine erste Kick-Off-Sitzung Mitte Januar 2023 in Bern statt. An dieser konstituierenden Sitzung werden die FMH und die FMCH Ihnen weitere Informationen geben und insbesondere nochmals im Detail unsere Überlegungen und die Strategie erläutern. Ebenfalls werden wir Ihnen aufzeigen, wie die Expertinnen und Experten Sie auch auf technischer Ebene unterstützen können. Es ist vorgesehen, dass wir basierend auf den publizierten Pauschalen in der Version 0.3 für jede betroffene Fachgesellschaft Analysen durchführen und gemeinsam die vorliegenden ambulanten Pauschalen plausibilisieren. Ziel ist es, für jede Fachgesellschaft möglichst viele Informationen über die Pauschalen zu generieren, um mögliche finanzielle Auswirkungen besser verstehen zu können und gemeinsam in einer geplanten Vernehmlassungsphase der sts SA konkret und fundiert Stellung zu beziehen.
Zielsetzung bei den ambulanten Pauschalen ist, dass diese bis am 30. Juni 2023 fertiggestellt sind, damit im Anschluss die jeweiligen Gremien der Tarifpartner darüber befinden können. Bei der FMH wäre dies die Delegiertenversammlung im September 2023. Im Anschluss an die interne Genehmigung sollen die ambulanten Pauschalen ebenfalls zur Genehmigung als separates Gesuch beim Bundesrat eingereicht werden, sodass diese im besten Fall gleichzeitig mit TARDOC in Kraft treten können. Falls dies nicht möglich ist, wird lediglich der TARDOC bis spätestens Ende 2023 von allen Tarifpartnern zur Genehmigung eingereicht. Es besteht somit keine zeitliche Abhängigkeit zwischen TARDOC und den ambulanten Pauschalen.